Barrierefreies Webdesign: Optimierte User Experience dank BFSG

Barrierefreies Web
Design: Optimierte
User Experience
dank BFSG

BFSG-Webdesign-UX

Ein Interview zur digitalen Barrierefreiheit mit Daniel Schitthelm, Team Lead Customer Experience bei Avenga Germany. Ähnlich wie das Interview mit dem Kollegen Markus Mayer zum Thema Barrierefreiheit im Bereich Quality Management, stellen wir unseren in-house Experten die relevanten Fragen zum BFSG.

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz verpflichtet öffentliche Akteure und privatwirtschaftliche Unternehmen, die zum Beispiel Bankdienstleistungen, elektronischen Geschäftsverkehr, Telefon- und Messenger-Dienste oder E-Books anbieten, ab 2025 ihre digitale Barrierefreiheit zu garantieren. Wie sind Unternehmen in Deutschland rund ein Jahr vor dem Stichtag aufgestellt?

Das Thema digitale Barrierefreiheit scheint immer noch nicht in allen Köpfen angekommen zu sein. Vielen Unternehmen ist nicht klar, was alles auf sie zukommt, wenn sie vor der Herausforderung stehen, ihr Produkt barrierefrei zu machen – und vor allem wie bald. Es gibt Projekte, in deren Konzeptionsphase das Thema Barrierefreiheit diskutiert wird, in der Umsetzung aber nach dem Motto verfahren wird: “Solange sich niemand beschwert, muss man noch nicht aktiv werden.“

Die Wahrheit ist, je eher digitale Barrierefreiheit berücksichtigt wird, desto geringer sind die Kosten. Um ein fertiges Produkt barrierefrei zu machen, müssen viele Inhalte und Elemente erneut geprüft und wenn nötig überarbeitet werden. Das sind Kosten, die Unternehmen sparen könnten, wenn sie ihr Produkt von Anfang an barrierefrei konzipieren und die wesentlichen Metriken beachten.

Deshalb ist das BFSG eine gute Sache, da das Thema nun mehr Beachtung findet. Es bedeutet aber auch, dass Unternehmen aktiv werden müssen, um die Anforderungen des Gesetzes zu erfüllen.

Sie haben gerade die Metriken angesprochen — um welche geht es da?

Es gibt vier grundlegende Prinzipien der digitalen Barrierefreiheit: Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit.

Bei der Wahrnehmbarkeit geht es darum, dass Nutzer Informationen und Elemente der Benutzeroberfläche so wahrnehmen können, dass sie sie auch nutzen können.

Unter Bedienbarkeit fällt, dass eine Webseite oder ein digitales Produkt keine Interaktionen erfordert, die Nutzer möglicherweise nicht ausführen können, wenn sie zum Beispiel gerade keine Tastatur oder Maus zur Verfügung haben. Auch die Zeit, wie lange Interaktionen mit der Seite dauern, spielt hierbei eine Rolle.

Ein weiteres Prinzip ist die Verständlichkeit. Die bereitgestellten Informationen für Nutzer müssen leicht verständlich sein und dürfen die Bedienung der Seite nicht behindern.

Das vierte Prinzip, die Robustheit, zielt darauf ab, dass das Produkt oder die Seite auch dann nutzbar sein sollte, wenn Nutzer Hilfsmittel, zum Beispiel zur Textvergrößerung, verwenden. Das Layout darf in diesem Fall nicht zerstört werden, Informationen sollten nicht aus dem sichtbaren Bereich verschwinden oder verschoben dargestellt werden. Auch die Interpretation durch Assistenten wie Alexa und Co. muss gewährleistet sein.

Diese vier Prinzipien – Wahrnehmbarkeit, Verständlichkeit, Bedienbarkeit und Robustheit – sind auch grundlegende Elemente der WCAG-Richtlinien (Web Content Accessibility Guidelines), auf denen die Anforderungen des BFSG basieren.

Welche Bedeutung hat digitale Barrierefreiheit für Benutzerfreundlichkeit und Kundenzufriedenheit?

Wenn eine Website barrierefrei gestaltet ist, merkt man das als Benutzer auf den ersten Blick kaum. Es entstehen keine negativen Effekte oder Verständnisschwierigkeiten. Das Kundenerlebnis ist insgesamt stimmig, da alles reibungslos abläuft. Gut gemachte Barrierefreiheit fällt nicht auf — fehlende dagegen schon. Ein paar Beispiele zum leichteren Verständnis:

Kann der Nutzer die Schrift auf einem Button klar erkennen? Funktioniert die Bedienung reibungslos, selbst wenn der Handy-Bildschirm bei starker Sonneneinstrahlung genutzt wird? Gelangt der Nutzer effizient an sein Ziel?

Wer schon einmal eine App oder eine Webseite genutzt hat, die diese Aspekte nicht erfüllt, weiß, wie frustrierend das ist. Wenn Kunden ihre Ziele dagegen einfach und schnell erreichen und das Gefühl haben, dass das Produkt ihr Leben erleichtert, steigert das unmittelbar die Zufriedenheit. Deshalb hat digitale Barrierefreiheit einen ganz wesentlichen Einfluss auf die Nutzerfreundlichkeit und so am Ende auch auf die Kundenzufriedenheit.

Was sind Ihrer Meinung nach die häufigsten Missverständnisse oder Vorurteile gegenüber Barrierefreiheit in der Webentwicklung?

Ich denke, ein gängiges Vorurteil ist, dass eine Website entweder ästhetisch ansprechend gestaltet sein kann, in ihrer Benutzbarkeit aber eingeschränkt ist, oder sie ist funktional, aber optisch nicht ansprechend. Das muss aber gar nicht der Fall sein, wenn Barrierefreiheit von Anfang an mitgedacht wird. Dank moderner Webtechnologien schließt sich beides heutzutage nicht aus.

Vielen ist zudem nicht bewusst, welche Bevölkerungsgruppen tatsächlich von barrierefreien Websites profitieren. Es geht nicht nur um Menschen mit offensichtlichen Behinderungen, sondern oft auch um ältere Menschen mit leichten Sehschwächen, Menschen mit eingeschränkten Sprachkenntnissen, Nicht-Muttersprachlern oder Personen, die eine Maus nicht ohne weiteres bedienen können.

Außerdem wird die Veränderung hin zu mehr Barrierefreiheit häufig als lästige Pflicht betrachtet, obwohl sie auch viele Vorteile mit sich bringt. Man erreicht mit der richtigen Umsetzung eine größere Gruppe von Anwendern. Google und andere Suchmaschinen belohnen inzwischen barrierefreie Seiten, wenn sie den Kriterien für Zugänglichkeit und Barrierefreiheit entsprechen, da sie auch von den Algorithmen leichter erfasst werden können. Eine barrierefreie Website kann daher besser in den Suchergebnissen rangieren als nicht barrierefreie Seiten.

Welcher Mehrwert bietet sich für Unternehmen, die sich für barrierefreies Website-Design bzw. eine barrierefreie User Experience einsetzen?

Durch die Verbesserung der Accessibility werden Kundengruppen angesprochen, die zuvor nicht richtig erreicht wurden. Die Attraktivität für Talente, die Interesse haben, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, steigt. Talente, die selbst Einschränkungen haben, werden eher bereit sein, sich zu bewerben, wenn Barrierefreiheit im Unternehmen ernsthaft behandelt wird.

Durch die Optimierung können Anfragen an den Kundensupport reduziert werden, da Produkte und Services besser verstanden werden und somit weniger externe Hilfe bei deren Nutzung benötigt wird. Obwohl die initiale Implementierung möglicherweise mit einem gewissen Mehraufwand verbunden ist, kann dies letztlich zu höheren Kosteneinsparungen und steigenden Umsätzen führen.

Wie steht es mit Ihren Produkten und Dienstleistungen? Sind Sie auf die Anforderungen der digitalen Barrierefreiheit vorbereitet? Finden Sie heraus, welche Maßnahmen und Anpassungen noch vor Ihnen liegen.

Zum BFSG Leitfaden.

Was entgegnen Sie den kritischen Meinungen, die sagen, der Aufwand für eine barrierefreie Website würde sich nicht lohnen, da die Prozentzahl der eingeschränkten Nutzer so niedrig ist?

Es wurde bereits erwähnt, dass die Zielgruppe, deren digitale Teilhabe verbessert wird, gar nicht so klein ist. Und für Menschen ohne Einschränkungen bedeutet eine barrierefreie Website keinen Komfortverlust. Im Gegenteil, auch für sie verbessert sich das Nutzererlebnis. Was sich allerdings im Laufe der Zeit ändert, sind die Nutzer selbst. Stichwort demografischer Wandel. Vielleicht kann ich eine Website, die nicht barrierefrei ist, heute noch ohne Einschränkungen nutzen, in 5 Jahren aber nicht mehr.

Optimierungen hin zu mehr Barrierefreiheit führen zu zufriedeneren Nutzern, reduzieren den Supportaufwand und steigern durch das Erreichen einer größeren Nutzergruppe langfristig auch den Umsatz. Nicht zu vergessen sind die gesetzlichen Vorgaben. Das BFSG gibt hier die Richtung vor und das ist gut so.

Es stehen schon heute Hilfsmittel und Tools zur Verfügung, die genutzt werden können, um Websites barrierefreier zu gestalten. Diese können beispielsweise über Plugins integriert werden, die automatisch Kontraste erhöhen und Schriftgrößen anpassen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, den Nutzern ein zweites Stylesheet zur Verfügung zu stellen, das einen verbesserten Kontrastmodus und größere Schriften bietet.

Es ist aber in jedem Fall ratsam, bereits in der Konzeption einer Website über mögliche Barrieren nachzudenken und ein klares und übersichtliches Design anzustreben.

Erwarten Sie, dass sich an der Einstellung gegenüber barrierefreien Webdesign mit dem BFSG etwas ändert?

Ich denke, dass sich aktuell ein Wandel vollzieht. Das Thema gewinnt langsam an Bedeutung und viele Dienstleister werden darauf aufmerksam. Ich bin überzeugt, dass Unternehmen, die sich frühzeitig mit dem Thema auseinandersetzen, davon profitieren werden. Ein offener Umgang mit dem Thema Barrierefreiheit spricht nicht nur neue Kundengruppen an, sondern auch interne Mitarbeiter und potenzielle Bewerber. Allerdings glaube ich, dass es noch eine Weile dauern wird. Wahrscheinlich werden viele erst auf den Zug aufspringen, wenn das Thema noch stärker in den Fokus rückt.

Manchmal heißt es, dass ältere Menschen als Nutzergruppe bei der Entwicklung von Websites häufig vergessen werden. Stimmt das?

Ich glaube nicht, dass ältere Menschen einfach vergessen werden. Es wird in der Regel versucht, mit den zur Verfügung stehenden Mitteln ein möglichst breites Spektrum an Nutzern und deren Bedürfnisse zu berücksichtigen. Um wirklich alle Nutzergruppen richtig zu erreichen, fehlt oftmals das Bewusstsein und die nötige Erfahrung. Das führt dazu, dass eine beträchtliche Anzahl von Menschen ausgeschlossen wird und da gehören dann auch Personen mit altersbedingten Einschränkungen dazu.

In Deutschland leben ungefähr 10 Millionen Menschen mit einer amtlich registrierten Behinderung, das sind rund 12,5 Prozent der Gesamtbevölkerung. Hier werden ältere Personen nur zum Teil mit eingerechnet und wichtig zu beachten wäre auch, dass bei den meisten Menschen die Sehstärke in der Regel schon ab einem Alter von 40 Jahren abnimmt. Über 18 Millionen Menschen in Deutschland sind 65 Jahre oder älter. Nicht alle sind bei der Online-Nutzung eingeschränkt, dennoch kann ein beachtlicher Teil von Ihnen nicht ohne Weiteres erreicht werden. Wir reden hier also insgesamt von einer nicht unerheblichen Anzahl von Nutzern, die nicht richtig erreicht werden kann, wenn die Barrierefreiheit vernachlässigt wird.

Wenn Menschen Schwierigkeiten bei der Nutzung von Diensten haben, kann sich das auch direkt auf den Kundensupport auswirken und der Support-Aufwand für Unternehmen steigt. Das ist besonders interessant im Kontext von Finanzprodukten und Banken. Ältere Menschen neigen dazu, Dinge persönlich vor Ort zu erledigen. Sie gehen eher in die Filiale oder suchen Kontakt zu Beratern, da sie Dienste wie Online-Banking entweder als unsicher empfinden oder technisch überfordert sind. Hier gibt es definitiv noch viel Potenzial für Verbesserungen. 

Das bedeutet, obwohl Unternehmen versuchen, sich als sicher und modern zu präsentieren, kann dies in der Praxis bei vielen Nutzern zu Unsicherheiten führen?

Genau. Oftmals werden Nutzer mit Fachbegriffen bombardiert, da geht es dann um komplexe Sicherheitsverfahren oder tolle neue Features, um Vertrauen zu erhöhen und den Eindruck von Innovation zu vermitteln. Gleichzeitig erschwert dies jedoch die Nutzung für Personen, die nicht mit den Themen vertraut sind. Dadurch wird das Verständnis erschwert, und obwohl es sich eigentlich um Funktionen handelt, die helfen sollen, erscheinen sie aufgrund der verwendeten Begriffe komplex und zu umfangreich.

Externe Unterstützung in Anspruch nehmen

Viele Unternehmen haben derzeit noch Schwierigkeiten, die Anforderungen an die Barrierefreiheit zu erfüllen. Das liegt in den meisten Fällen an fehlenden internen Kapazitäten oder mangelnder Fachkenntnis rund um die Barrierefreiheit.

Ein erfahrener IT-Dienstleister wie Avenga unterstützt Sie dabei, sich auf die Umstellung zur Barrierefreiheit vorzubereiten, ein ansprechendes barrierefreies Design umzusetzen und den Anforderungen des BFSG pünktlich gerecht zu werden. Sprechen Sie uns an!

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