Cloud Strategie für Unternehmen: ein Leitfaden für 2024
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Die Fernbehandlung ist ein wichtiger Baustein der modernen Medizin. Doch die digitale Transformation ist umfassend und verändert die Branche auch in vielen anderen Bereichen. Erfahren Sie in unserer Themensammlung, wie auch Ihr Unternehmen von der Digitalisierung im Gesundheitswesen profitiert.
Kein mühsamer Anfahrtsweg, kein stundenlanges herumsitzen im Wartezimmer für einen Termin von nur wenigen Minuten: Die Fernbehandlung hat das Potenzial, die Gesundheitsversorgung unzähliger Menschen grundlegend zu verbessern. Doch was genau versteckt sich eigentlich hinter diesem Begriff?
In der Fachliteratur finden sich unterschiedliche Auslegungen. Oftmals verstehen die Autoren unter Fernbehandlung, dass ein Patient oder für ihn ein Dritter einem Arzt Angaben über die Krankheit und Symptome übermittelt und dieser eine Diagnose erstellt beziehungsweise einen Behandlungsvorschlag macht, ohne beim zu Behandelnden physisch anwesend zu sein.
Mit Blick auf neueste technologische Entwicklungen weisen allerdings diverse neuere Publikationen darauf hin, dass die traditionelle Interpretation inzwischen zu kurz greift. Schließlich kann ärztliche Behandlung aus der Ferne heute leicht über einen verbalen Behandlungsvorschlag hinausgehen, etwa mit Hilfe von Sensoren, die Softwareeinstellungen eines Medizinprodukts oder ferngesteuerte Maschinen. Bereits 2001 ist es Chirurgen in New York zum Beispiel gelungen, einer Patientin in Straßburg mittels Videokonferenz und dem Einsatz ferngesteuerter Roboter eine Gallenblase zu entfernen.
Jonas Siglmüller schreibt dementsprechend in seinem 2020 veröffentlichten Buch “Rechtsfragen der Fernbehandlung”: “Unter Fernbehandlung sind (…) alle eigenverantwortlichen ärztlichen Beratungs- und Behandlungsleistungen zu verstehen, die unter Überbrückung einer räumlichen – eventuell auch zeitlichen – Distanz zum Patienten mittels telematischer Technologie erbracht werden, ohne dass ein (weiterer) Behandelnder beim Patienten physisch anwesend ist”. Im Vergleich mit anderen Ländern, so der Autor, schreite die Umsetzung von IK-Technologien im Gesundheitswesen in Deutschland jedoch nur langsam voran und der Rückstand auf andere Wirtschaftsbereiche betrüge rund zehn Jahre.
Datenschutz- und Datensicherheitsanforderungen, die hohe Anzahl anzubindender Akteure im Gesundheitswesen und Koordinationsdefizite sind einige der Herausforderungen, die beim Thema Fernbehandlung hierzulande bestehen. Während die Fernbehandlung in Ländern wie Schweden, Großbritannien oder der Schweiz schon längst zum Alltag gehört, gibt es jedoch noch eine weitere zentrale Ursache, warum dies hierzulande nicht der Fall ist: Bis 2018 war die ortsunabhängige Erbringung medizinischer Dienste schlichtweg untersagt, sofern sie nicht durch eine persönliche Untersuchung des Patienten durch den Arzt ergänzt wurde.
Nichtsdestotrotz bieten Unternehmen auch in Deutschland schon lange und in zunehmendem Maße medizinische Beratung online an – nur eben aus dem Ausland und somit der hiesigen Rechtsaufsicht entzogen. Schon 2017 gab etwa das in London ansässige Internetportal DrEd an, seit seinem Start im Jahr 2011 bei rasant steigenden Nutzerzahlen insgesamt 400.000 deutsche Patienten telemedizinisch betreut zu haben. Im gleichen Jahr berichtete das telemedizinische Zentrum Medgate in Basel, das ärztliche Beratung per Chat und Video anbietet, von mehr als 12 Millionen Anrufen jährlich.
Angesichts dieser Entwicklung rief Jens Spahn 2018 den Ärztetag dazu auf, eigene Angebote in der Telemedizin zu entwickeln und die Rahmenbedingungen für Sicherheit und Datenschutz zu gestalten. Andernfalls würden die Standards von Internetkonzernen wie Google, Amazon und Apple gesetzt.
Nach einer kontroversen Diskussion stimmte eine deutliche Mehrheit der Delegierten des 121. Deutschen Ärztetages einer Änderung der ärztlichen (Muster-)Berufsordnung (MBO-Ä) schließlich zu. Demnach wurde das berufsrechtliche Verbot der ausschließlichen Fernbehandlung zumindest “im Einzelfall” gelockert. Der neue Wortlaut des § 7 Abs. 4 MBO-Ä besagt:
“Eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien ist im Einzelfall erlaubt, wenn dies ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt insbesondere durch die Art und Weise der Befunderhebung, Beratung, Behandlung sowie Dokumentation gewahrt wird und die Patientin oder der Patient auch über die Besonderheiten der ausschließlichen Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien aufgeklärt wird”.
Der Bundesgesundheitsminister zeigte sich erleichtert. „Eine gute Entscheidung! Patienten werden unnötige Wege und Wartezeiten erspart. Und Ärzte können die digitale Welt aktiv gestalten anstatt dass es andere tun“, so Spahn auf Twitter.
Gemäß der Studie “Ärzte im Zukunftsmarkt Gesundheit 2020” ist die generelle Akzeptanz telemedizinischer Leistungen aufgrund der Covid-19-Pandemie stark gestiegen. So verzeichneten im Regelbetrieb vor dem März 2020 lediglich 15,7 Prozent der Ärzte überhaupt einen Anteil an Videosprechstunden – das Gros davon zwischen einem und 20 Prozent. In der aktuellen Situation hat sich der Anteil von Videosprechstunden bei Patientenkontakten schlagartig und erheblich verändert: Der Anteil der Ärzte, bei denen der Anteil null beträgt, ist von 84,3 Prozent auf 5,6 Prozent gesunken.
„2019 haben wir noch 3.000 Videosprechstunden in unseren Abrechnungsstatistiken gehabt. Im zweiten Quartal 2020 waren wir schon bei 1,2 Millionen“, erklärt Dr. Thomas Kriedel vom Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).
Die bevölkerungsrepräsentative Studie “Datapuls 2021” zeigt zudem, dass auf Patientenseite die Verringerung der Ansteckungsgefahr zwar der Hauptgrund für die Inanspruchnahme einer Online-Sprechstunde ist (82,1 Prozent). Mehr als acht von zehn Patienten (80,8 Prozent) schätzen den digitalen Arztbesuch aber auch, weil dadurch Mobilitätseinschränkungen keine Hürden mehr darstellen. Drei Viertel (74,9 Prozent) der Deutschen ziehen eine Videosprechstunde in Betracht, wenn sie dadurch schneller einen Termin bekommen. Fast ebenso viele (74,6 Prozent) überzeugte das Argument, lange Anfahrtszeiten vermeiden zu können. Sieben von zehn (69,4 Prozent) würden eine Video-Sprechstunde in Betracht ziehen, wenn die Wartezeit im digitalen Wartezimmer kürzer wäre als beim Arzt vor Ort.
Die Vorteile der Fernbehandlung liegen auf der Hand: Die potenziellen Zeitersparnisse sowohl für Mediziner als auch Patienten sind signifikant, Ansteckungsgefahren und Anfahrtswege lasen sich stark reduzieren. So können insbesondere Routinechecks effizient durchgeführt werden, auch die Grundversorgung in ländlichen Gebieten profitiert. Doch natürlich gibt es auch kritische Stimmen, die beispielsweise betonen, dass 85 Prozent der Arzt-Patienten-Kommunikation nonverbal und nur 15 Prozent verbal seien. „Die persönliche Anamnese ist und bleibt der Goldstandard“, erklärt Gerald Quitterer, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK).
Josef Mischo, Sanitätsrat und Präsident der Ärztekammer des Saarlandes, hat sich hingegen lange für die Abschaffung des Fernbehandlungsverbots stark gemacht. Er betont, dass die Fernbehandlung die Optionen von Ärzten und Patienten erweitert: “Bei unkomplizierten, einfachen „Bagatell“-Erkrankungen erhält der Patient einen einfacheren Zugang zu ärztlicher Behandlung. Für Ärztinnen und Ärzte erweitert die Fernbehandlung das Spektrum der möglichen Berufsausübung. Das kann zum Beispiel interessant sein für Ärzte, die altersbedingt ihre Praxistätigkeit aufgeben, aber andererseits ihre Erfahrung noch in einer Teilzeittätigkeit einbringen wollen.” Darüber hinaus erlaube die Fernbehandlung auch eine bessere Patientensteuerung: Einfachere Fälle könnten abschließend telemedizinisch versorgt werden, schwerere Fälle würden in eine allgemeinmedizinische oder fachärztliche Weiterbehandlung geleitet.
Auch wenn die letzten Jahre und insbesondere die Zeit seit Beginn der Coronapandemie zu regulatorischen Lockerungen geführt haben, gibt es für eine gesetzeskonforme Ein- und Durchführung der Video-Sprechstunde einige Vorschriften zu beachten:
* USA und Kanada, Ausnahmen vorbehalten
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